Bei Wahlen wird die Hälfte des Parlaments erneuert

Universitätsstudie

Belgien kennt eine große Fluktuation von Mitgliedern des föderalen Parlaments. Dies hat eine Studie der Universität Löwen (KUL) ergeben, wie die flämische Zeitung „De Standaard“ berichtet.

In den vergangenen 30 Jahren mussten durchschnittlich 48,5 Prozent der Abgeordneten bei jeder Kammerwahl ihren Platz räumen für Politiker, die beim vorigen Urnengang nicht direkt gewählt worden waren. In unseren Nachbarländern Frankreich, Niederlande und Großbritannien ist dieser Anteil (deutlich) niedriger. Von allen acht untersuchten westeuropäischen Ländern weist nur Italien einen höheren Prozentsatz als Belgien auf.

Die Erneuerung von fast der Hälfte der Parlamentsmitglieder liegt deutlich über dem normalen Wert von 20 bis 40 Prozent, sagt der Politologe Bart Maddens in „De Standaard“. „Begrenzte Erneuerung ist gut, aber bei einem höheren Prozentsatz gibt es ein Problem der Kontinuität“, so der Politikwissenschaftler. „Die Tatsache, dass Belgien strukturell darüber liegt, ist nicht gut für die Demokratie. Der Durchschnitt der acht untersuchten Länder liegt bei 35 Prozent.“

Schließlich müsse die gesetzgebende Gewalt die Regierung kontrollieren, und das erfordere ausreichende Erfahrung, sagt Maddens. Darüber hinaus sei die Ausarbeitung von Gesetzen eine stets komplexere Aufgabe. „Die Gesetzgebungsarbeit wird sich demnach noch mehr auf die Regierung und externe Experten verlagern“, so der Politologe. Ferner seien neue Parlamentsmitglieder in der Regel weniger bekannt und verfügen noch nicht über eine solide Wählerbasis, wodurch es ihnen schwerer fällt, ein Gegengewicht zu den mächtigen politischen Parteien zu bilden. Dies führt zu einer Stärkung der Partikratie.“

Die Studie belegt, dass die Fluktuation in der Kammer mit den Jahren zugenommen hat. Zwischen 1945 und 1989 betrug die Erneuerungsrate nur 26 Prozent. Nach Ansicht der Forscher sind stark wechselnde Präferenzen der Wähler der wichtigste Faktor. In den letzten Jahrzehnten hat die belgische Politik unter anderem den Durchbruch der flämischen Nationalisten (N-VA) und der Grünen erlebt, während die klassischen Parteien an Boden verloren haben. Darüber hinaus haben die Staatsreformen zu starken Regionalparlamenten geführt, in die viele Kammerabgeordnete gewechselt. Auch die Frauenquoten auf den Wahllisten führten zu einem Anstieg der Fluktuation. Ein letzter wichtiger Faktor scheint die Dauer der Amtszeit zu sein. (gz/belga)

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